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Arbeiten, aber wofür?

Cansu Demirezer
Cansu Demirezer

Filme aus dem Programm, die sich mit dem Thema Arbeit beschäftigen

Arbeiten, aber wofür?

Arbeiten wir, um zu leben oder leben wir, um zu arbeiten? Es ist eine Frage, die wir uns alle sicherlich irgendwann einmal angesichts einer gesunden Work-Life-Balance gestellt haben. Klar, für einige ist der Job nur ein Mittel zum Zweck – um das Leben abseits der Arbeit zu finanzieren. Wieder andere leben, brennen regelrecht dafür, da sie darin keinen Beruf, sondern eine Berufung sehen. Feststeht allerdings, dass nicht alle das Privileg haben, Arbeit und Leidenschaft unter einen Hut zu bekommen. Und schon gar nicht haben alle das Glück, durch ihre Arbeit ein einfacheres Leben zu führen. Sechs Kurzfilme aus unserem Programm nähern sich diesem Thema unterschiedlich an.

In dem Dokumentarfilm DRIVING FORCE von Daniela Magnani Hüller (HFF Special 2) lernen wir zwei erfolgreiche Frauen auf einer persönlichen Ebene kennen, die sich im Autorennsport, einer nahezu ausschließlich mit Männern assoziierten Domäne, an die Spitze hocharbeiten konnten. Auf dem Weg dorthin mussten die beiden Protagonistinnen Claudia Hürtgen und Laura Kraihamer jedoch nicht nur gegen ihre männliche Konkurrenz, sondern auch gegen allgemein vorherrschende Stereotypen gegenüber Frauen ankämpfen. Ehrlich und direkt erinnert der Film am Beispiel dieser beiden Frauen, wie weit wir von der Emanzipation entfernt sind, von der wir fälschlicherweise viel zu oft glauben, sie erreicht zu haben. Der Film ist also nicht nur ein gelungenes Porträt über zwei Frauen, die leidenschaftlich mit ihrer Arbeit verbunden sind. Es ist gleichzeitig auch ein feministischer Weckruf.

Driving Force Online2

Driving Force

Harvesting Our Tea Online4

Harvesting our tea

Dem Thema Arbeit und Feminismus widmet sich auch ein weiterer Dokumentarfilm, Sheida Kirans HARVESTING OUR TEA (Programm 2), der uns an verschiedene Orte am Schwarzen Meer im Nordosten der Türkei mitnimmt. Diese Region ist für ihre Teeproduktion bekannt. Bekannt ist eigentlich auch, dass die Teeindustrie ihre Position den Teepflückerinnen zu verdanken hat – doch der Dank bleibt aus. In Wirklichkeit, so offenbart der Film aus der Perspektive von drei Frauen, weiß niemand die Mühen dieser arbeitenden Frauen zu schätzen. Dass sie neben dieser Schwerstarbeit traditionelle Rollenverteilung nachzukommen haben, so zumindest die Erwartungen, scheint niemanden zu interessieren. Kein Wunder also, dass sich immer mehr junge Frauen von diesem Beruf abwenden. Andere hingegen opfern sich erstaunlicherweise trotz der Missstände mit Herzblut für die Arbeit auf und leisten dabei Großes. Denn sie tragen nicht nur die mit Teeblättern gefüllten Körbe, sondern eine ganze Industrie auf den Schultern.

Wie es nämlich ist, wenn ein als selbstverständlich betrachteter Handel untergeht und Menschen dadurch ihre Arbeit verlieren, wird in ARALKUM von Daniel Asadi Faezi und Mila Zhluktenko (Programm 3), der dritten Doku in der Runde, behandelt. In einem poetisch-realistischen Stil zeichnet der Film ein Bild von den Folgen der von Menschen verursachten Austrocknung des Aralsees und dem damit verbundenen Niedergang der Fischerei. Wo einst hohe Wasser den Fischern eine Einkommensquelle sicherten, stehen heute Fischerboote verrostet und verwüstet – im wahrsten Sinne des Wortes – mitten in der Aralkum-Wüste.

Arbeiten wollen, aber nicht können: Damit wird Vinoth, ein in der Schweiz lebender Asylsuchender aus Sri Lanka, auf eine ganz andere Art und Weise in Keerthigan Sivakumars DOOSRA (Programm 6) konfrontiert. Der junge Mann, dessen einzige Aktivität aus der morgendlichen Brotbelieferungen von Bäckereien besteht, sieht in einer zusätzlichen ehrenamtlichen Arbeit einen effektiven Ausweg aus seiner Einsamkeit in diesem für ihn fremden Land. In einem sanften und gleichzeitig rührenden Ton begleitet der Film einen Menschen, der seine Arbeitskraft umsonst der Wohltat zur Verfügung stellen will und paradoxerweise an keiner seiner Anlaufstellen weiterkommt. Der nächste Film zeigt wiederum, wie es ist, nicht mehr aus dem Job herauszukommen.

An Ostrich Told Me Online2

an ostrich told me the world is fake and i think i believe it

Neon Phantom Online1

Neon phantom

Der außergewöhnliche Film NEON PHANTOM von Leonardo Martinelli (Programm 8) handelt, wie der Name es bereits zu erkennen gibt, von neonfarbenen Phantomen, die überall sind, uns die Dinge bringen, die wir in unserem Alltag benötigen und dennoch unsichtbar für uns bleiben. Die Rede ist von Fahrradkurieren, im Film explizit von denjenigen auf den Straßen von Brasilien. Um der Armut, wenn auch nur minimal, entgehen zu können, liefern diese „Phantome“ für einen Hungerlohn den Menschen ihr Essen und sind dabei tagtäglich übergriffigen Kunden sowie einem möglichen Tod im hektischen Straßenverkehr ausgesetzt. So hat sich João, der Protagonist, die Arbeit nicht vorgestellt, der an das Prinzip von Musical-Filmen geglaubt hatte: Arbeite und am Ende wird alles gut. Nichtsdestotrotz sehen wir João und seine Kolleg:innen singend und tanzend auf den Straßen, wie sie sich durch die Strapazen des Jobs kämpfen. Am Ende entsteht dadurch eine Hommage in Musical-Form an all die Menschen, deren Arbeit im Alltag keine Beachtung findet.

Die Auswahl zum Thema ‚Arbeit‘ wird durch Lachlan Pendragons Animation AN OSTRICH TOLD ME THE WORLD IS FAKE AND I THINK I BELIEVE IT (Programm 10) abgerundet, die einen witzigen Weg findet, all das, was wir tun, unsere Arbeit miteingeschlossen, mittels  Komik zu hinterfragen. Im Film passiert das in dem Moment, als der Telefonverkäufer Neil während einer ungewöhnlichen Begegnung mit einem Strauß (!) erfährt, dass die Welt, in der er lebt, nicht echt ist – sie ist eine Stop-Motion-Animation. Also legt er seine scheinbar einzige Aktivität, die Arbeit, zur Seite, um seinen Kollegen von dieser neuen, existentiellen Erkenntnis zu berichten, doch keiner hört ihm zu.

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