Ein Austausch von Filmliebhaber:innen
Elena Yordanova, Enie Goetze und Leandra Steiper sind 2024 ein wichtiger Teil des Filmschoolfest-Teams. Sie haben das Programm des ersten DACH-Wettbewerbs zusammengestellt, programmiert und werden auf dem Festival moderieren. Wir sprachen mit ihnen über den bisherigen Prozess, die Erfahrungen, die sie gesammelt haben und ihre Wünsche für die 43. Festivalausgabe. Das gesamte Filmschoolfest-Team freut sich, sie mit an Bord zu haben.
Kanntest du das Filmschoolfest, bevor du dich als junge Kuratorin beworben hast?
Leandra: Jein. Ich hab’s schon öfter gehört, war selbst aber noch nicht als Besucherin da. Als ich dieses Jahr beim FILMFEST MÜNCHEN gearbeitet habe, habe ich mich auch mal über das Filmschoolfest informiert und bin kurz darauf auch über die Ausschreibung gestolpert.
Elena: In der Tat war ich letztes Jahr auf dem Filmschoolfest. Ich war gerade nach München gezogen und es war das erste, was ich gemacht habe, also wusste ich natürlich davon.
Enie: Das Filmschoolfest war mir durchaus ein Begriff, jedoch war ich bisher noch nie dort. Umso mehr freue ich mich jetzt natürlich auf meine erste Ausgabe! Aufregend!
Was hat dich dazu bewogen, dich als junge Kuratorin zu bewerben?
Leandra: Ich fand’s super spannend, gezielt den jungen, zukunftsprägenden Film zu erleben und auch das Filmschoolfest als aufregendes Münchner Festival kennenzulernen. Auch reizvoll war natürlich die Möglichkeit, im Team einen gesamten, ganz neuen Wettbewerb zu kuratieren. Da konnte ich einiges lernen und mitnehmen. Zusätzlich, nicht zu vergessen, bietet das Filmschoolfest einfach einen grandiosen Ort zum Austausch mit anderen Filmliebhaber:innen. Das ist offensichtlich eine sehr coole Sache.
Elena: Nach der letztjährigen Ausgabe des Filmschoolfests habe ich mich total in die Veranstaltung verliebt. Ich erinnere mich all die Menschen, die diese Veranstaltung möglich machen, angesehen zu haben und ich konnte nicht anders, als mir vorzustellen, wie es wäre, in ihrer Position zu sein. Als ich auf Instagram gesehen habe, dass junge Kurator:innen gesucht wurden, habe ich gar nicht gezögert, sondern wusste, dass ich mich einfach bewerben muss. Ich wollte unbedingt Teil eines solchen Projekts sein, sehen, was junge Filmemacher:innen heute schaffen, und mit einem motivierten Team zusammenarbeiten, das dieselben Leidenschaften teilt wie ich.
Enie: Ich durfte bereits im Kurationsteam bei Encourage Film Talents mitwirken, was eine tolle Erfahrung war. So viele spannende Nachwuchswerke zu sichten und dann mitentscheiden zu dürfen, welche davon unbedingt auch vor größerem Publikum präsentiert werden sollen, ist eine sehr schöne Aufgabe.
Du musstest um die 100 Filme schauen. Wie bist du bei der Menge vorgegangen. Hast du dir einen Plan gemacht?
Leandra: Ich beginne immer mit denen, die mich rein vom Titel oder Titelbild neugierig machen. Und in den letzten Wochen, wird dann relativ konsequent von unten nach oben durchgeschaut. Da ich zeitlich etwas eingeschränkt war, habe ich mir dann auch ganz unromantisch durchgerechnet, wie viele ich an einem Tag sichten muss, um rechtzeitig fertig zu werden. Thematisch und von der Laufzeit her habe ich manchmal gefiltert, je nachdem, ob ich an dem Tag noch die Kapazitäten für einen komplexen, ernsthaften 30-Minüter hatte oder nicht. Da hilft’s dann auch nichts, den durchzwingen zu wollen; und man kann sich solchen Kandidaten mit frischem Kopf am nächsten Tag widmen.
Elena: Am Anfang habe ich mir einen Plan gemacht, aber ich konnte ihn nicht ganz einhalten. Sagen wir, ich wollte an einem bestimmten Tag fünf Filme sichten, aber der erste war großartig. Danach konnte ich mich nicht mehr dazu durchringen, etwas anderes zu sehen. Schließlich ist das Anschauen von Filmen mit Emotionen verbunden, und man muss sich für jeden Film eine angemessene Zeit nehmen, um ihn zu erleben und zu spüren.
Enie: Ich bin völlig ohne System und Plan vorgegangen und habe mich so nach und nach durchgearbeitet. Da es sehr diverse Einreichungen gab, ist das zum Glück auch nie langweilig geworden.
Die jungen Kuratorinnen bei der Programmierung
Welche Erwartungen hattest du, bevor du mit dem Sichten begonnen hast? Haben sich diese erfüllt?
Leandra: Ich war wirklich überrascht von dem hohen Niveau einiger Filme, da vergisst man teilweise, dass sich die Filmschaffenden noch in der Ausbildung befinden. Natürlich kann man sich mit einigen Beiträgen auch mal nicht anfreunden, aber ich war rundum ganz beflügelt von den innovativen und feinfühligen Filmen. Ich hatte mit ein paar mehr Komödien gerechnet, ich denke, da trauen sich viele nicht so ran, obwohl witzige Filme genauso anspruchsvoll sein können und Lachen in so einem Filmprogramm ja auch mal guttut.
Elena: Ich hatte keine konkreten Erwartungen, vielleicht nur an die Themen der Filme. Ich denke, es ist logisch zu erwarten, dass Menschen einer bestimmten Altersgruppe ähnliche Themen haben, die sie darstellen und entschlüsseln wollen. Und ich hatte teilweise Recht, aber es gab auch viele Filme, die mich positiv überrascht haben.
Enie: Ich habe mir erhofft, besonders vielversprechende Arbeiten von jungen Filmschaffenden zu entdecken, die Lust auf die Zukunft des Films im DACH-Raum machen und das hat sich definitiv erfüllt.
Wie war der Auswahlprozess mit den anderen Kuratorinnen? Wart ihr euch oft einig oder musstest du auch für Filme kämpfen, die dir sehr gut gefallen haben?
Leandra: Die Arbeit mit Enie und Elena war toll. Spannenderweise waren wir uns bei den meisten Beiträgen direkt einig, sowohl in der individuellen Wertung als auch beim gemeinsamen Programmieren. Nichtsdestotrotz hatte jede von uns ein, zwei Beiträge, für die wir uns einsetzen und argumentieren mussten. Da hatten wir gegenseitig aber sehr offene Ohren und Spielraum für Kompromisse.
Elena: Glücklicherweise waren wir fast immer auf derselben Seite. Es stellte sich heraus, dass wir einen ähnlichen Geschmack haben und unsere Meinungen zu vielen Dingen übereinstimmen. Sicher, es gab ein oder zwei Filme, die ich mehr mochte als die anderen, aber das waren keine Filme, die die anderen nicht mochten, im Gegenteil... wir kamen schnell zu einem Konsens, sobald man erklärte, warum man einen Film mehr mochte als einen anderen.
Enie: Ich habe die Zusammenarbeit als sehr produktiv und harmonisch empfunden. Bei vielen Filmen waren wir uns von Anfang an einig, bei anderen gingen die Meinungen auch stärker auseinander. Natürlich muss man an manchen Stellen seine sogenannten Darlings killen, aber ich bin froh, auch ein, zwei meiner Underdogs untergebracht zu haben. Ich glaube, dass für uns alle vor allem das Interesse an einem guten Programm im Vordergrund stand, was eine gute Team-Arbeit ermöglicht hat.
Hattest du irgendeine Vorstellung, wie es sein würde die einzelnen Programme zu kuratieren? War es schwer die Filme zu einem stimmigen Programm zusammenzufügen?
Leandra: Ehrlich gesagt nein, ich habe mir keine großen Vorstellungen vorher gemacht, sondern einfach geschaut, wohin der Weg geht. Beim Programmieren sind uns einige Programme sehr leichtgefallen, die direkt ein stimmiges Bild ergeben haben, vor allem, weil sich doch große Tendenzen wie Identität, Orientierungslosigkeit, Flucht und Migration, Sexualität und Beziehung abzeichnen. Andere mussten ein bisschen gedreht werden, bis wir zufrieden waren. Ich hätte gerne noch ein, zwei Animationen und Komödien mehr im Programm gesehen, das haben die Einreichungen aber nicht hergegeben. Für die kommenden Jahre wären auch mehr Einreichungen aus Österreich und der Schweiz ganz toll. Aber ich bin total zufrieden mit dem finalen Programm, was sowohl rund geworden ist, aber auch seine Ecken und Kanten mitbringt.
Elena: Ich habe mir, ehrlich gesagt, nicht viel dabei gedacht, aber es ist auch meine erste Erfahrung mit so etwas. Ich wusste bereits, dass wir uns als Jurymitgliedern gut verstehen, also dachte ich, dass wir keine Meinungsverschiedenheiten haben würden, und ich hatte Recht. Es ist nicht einfach, ein kohärentes Programm zu erstellen, aber mit guten Diskussionen haben wir es geschafft. Es war eine wirklich bereichernde Erfahrung, und ich bin stolz auf das Ergebnis, das wir gemeinsam erreicht haben.
Enie: Die Art der Programmierung war mir tatsächlich bislang fremd, umso mehr finde ich, dass das sehr gut funktioniert hat! Wir haben verschiedenste Ansätze ausprobiert und wenn eine mal nicht mehr weiterwusste, hatte eine andere immer einen guten Einfall.
Du wirst mit den anderen jungen Kuratorinnen das Programm des DACH-Wettbewerbs während des 43. FILMSCHOOLFEST MUNICH selbst präsentieren. Was möchtest du jetzt schon dem Publikum mitgeben, warum es das Festival besuchen soll?
Leandra: Beim FILMSCHOOLFEST MUNICH hat man so ein bisschen die Chance, eine Preview zu bekommen: Was beschäftigt junge Filmschaffende? Was sind die großen Tendenzen? Aber es gibt immer auch unvorhergesehene und ausbrechende Überraschungen. Insbesondere beim DACH-Kurzfilmwettbewerb, den wir jetzt zusammen kuratieren durften, war für mich der besondere rote Faden, dass Zuschauende sich selbst hinterfragen können, sollen, dürfen. Das empfinde ich persönlich als sehr bereichernd.
Elena: Ich möchte erst einmal hervorheben, dass das Festival für alle Altersgruppen geeignet ist. Die Themen der Filme sind sehr vielfältig, und jede:r kann dort etwas Interessantes finden. Die verschiedensten Ideen werden von jungen Menschen aus der ganzen Welt eingebracht. Viele verschiedene Lebensgeschichten werden sich vor Ihnen entfalten. Und auch die Menschen, die hinter den Kulissen des Festivals arbeiten, sind so einzigartig und wunderbar, und ich bin sicher, dass deren Geist und die Atmosphäre, die sie schaffen, auch vom Publikum gespürt werden.
Enie: Weil es der Film-Nachwuchs verdient hat, gesehen, diskutiert und gefeiert zu werden. Und letztendlich einfach, weil es wirklich gute Filme zu sehen gibt!