Beflügelte Einsamkeit


Es ist Nacht, alles ist still. Bekes und Alan laufen über ein leeres, dunkles Feld in der Nähe eines hohen, beleuchteten Zauns. Sie wollen auf die andere Seite und kennen einen geheimen Weg, doch, ob dieser Weg sicherer ist, ist ungewiss.
In KILLING BAGHEERA von Muschirf Shekh Zeyn (zu sehen in HFF Special 2) begleiten wir die zwei Hauptcharaktere auf dem letzten Stück ihrer Reise hinter die europäische Grenze. Die Anspannung sowie Erschöpfung der beiden ist dabei in jeder stillen Sekunde zu spüren, die beide ausharren müssen, um nicht entdeckt zu werden.
In die bedrückende Ruhe der nächtlichen Wüste Tunesiens entführt uns WE KNEW HOW BEAUTIFUL THEY WERE, THESE ISLANDS von Younès Ben Slimane (Programm 8). Ein einsamer Totengräber verrichtet in der Dunkelheit dort seine Arbeit. Liebevoll kümmert er sich um die Überreste derer, die auf der Suche nach einem besseren Leben waren, aber auf dem Weg dorthin das eigene verloren haben. Behutsam zeigt er die letzten Habseligkeiten, Schuhe, Puppen und Schnuller. Während er ihnen die letzte Ehre erweist, pflanzt er kleine Setzlinge auf die Gräber und bringt so ein bisschen neues Leben in die Einöde.

kILLING bAGHEERA

No conozco la historia del fuego

we knew how beautiful they were, these islands
Aber auch ein lebendiger Wald kann eine Einöde sein. So ist es zumindest für die vier Protagonisten im Dokumentarfilm NO CONOZCO LA HISTORIA DEL FUEGO (Programm 9). Diese verbringen auch die meiste Zeit schweigend, viel zu sagen haben sie sich nicht. Sie teilen nur das gleiche Schicksal: sie kamen nach Spanien für eine bessere Zukunft und versuchen nun außerhalb der Gesellschaft irgendwie durchzukommen. Die drei Regisseur:innen Alberto Ruiz, Luis Morla und Sara Domínguez López wählten einen Auszug aus einem Gedicht von Alejandra Pizarnik für ihren Titel: „Yo no sé de pájaros, no conozco la historia del fuego. Pero creo que mi soledad debería tener alas.“, was übersetzt so viel heißt wie: „Ich weiß nichts über Vögel, ich weiß nichts über die Geschichte des Feuers. Aber ich denke, meine Einsamkeit sollte Flügel haben.“
Genau diese Einsamkeit plagt auch den Asylsuchenden Vinoth, der vor einem Jahr aus Sri Lanka ins schweizerische Lausanne kam. Vergeblich sucht er Anschluss, bei Arbeitskolleg:innen, Nachbar:innen oder anderen Sri Lankern. Gerne würde er ehrenamtlich anderen helfen, etwas Gutes tun. Aber immer wieder scheitert er an der Bürokratie und verbringt so die meisten Abende alleine in seiner Wohnung und hört Cricket-Spielen im Radio zu. Doch DOORSA von Keerthigan Sivakumar (Programm 6) zeigt auch einen Lichtschimmer in der Dunkelheit der Einsamkeit. Von heimatlicher Musik beflügelt verbringt Vinoth seinen Geburtstag auf dem Balkon und im Hintergrund beginnt sogar der Nachbar, der ihm vorher immer noch den Rücken zukehrte, langsam mit der Musik mitzuwippen.