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VON KLASSISCHER MUSIK ZU SINGER-SONGWRITER

Tobias Obermeier
Tobias Obermeier

Fünf Filme zeigen die Facetten von Musik

VON KLASSISCHER MUSIK ZU SINGER-SONGWRITER

Es ist still im Foyer. Nur gedämpft hört man den Ariengesang aus dem Zuschauerraum. Das ändert sich schlagartig, als sich in der Pause die Flügeltüren öffnen und das Publikum, piekfein in Abendgarderobe gehüllt, hinausströmt. Während die einen ein Glas Wein trinken oder einen kleinen Snack zu sich nehmen, nutzen die anderen die Gunst der Stunde: Sie zücken die Smartphones, suchen sorgsam einen prunkvollen Hintergrund aus und machen ein Selfie. Als hätten sie während der ganzen Aufführung nur auf diesen Moment gewartet.

Der Dokumentarfilm OPERA GLASSES von Mila Zhluktenko erzählt vom bunten Treiben in der Nationaloper in Kiew. Das Schauspiel auf der Bühne ist jedoch nie zu sehen, die Musik nur durch die verschlossene Tür des Saals zu hören. Die Aufmerksamkeit gilt dem Spektakel im Foyer. Vor Beginn der Vorstellung schminken sich die aufgebrezelten Zuschauer*innen nochmal schnell vor einem Spiegel, kämmen sich ihr Haar ein letztes Mal oder zupfen ihre Kleider zurecht. Die Garderobieren nehmen die unzähligen Pelzmäntel entgegen oder verleihen Operngläser, um sich ein wenig Geld dazu zu verdienen. Während der Vorstellung beschweren sie sich über die zu spät gekommenen Gäste oder stellen eine absurde Theorie über die (nichtvorhandene) Haarpracht russischer Machthaber auf. Die Opernmusik wird zur reinen Hintergrundkulisse für die kuriosen Momente abseits der Bühne.

Ebenfalls in die Gefilde der klassischen Musik geht es in der Komödie THE BEST ORCHESTRA IN THE WORLD von Henning Backhaus. Ingbert Socke bewirbt sich als Kontrabassist bei der Wiener Staatskapelle. Als Socke stößt er aber auf so manche Widrigkeiten. Sein Instrument ist ihm eigentlich viel zu groß und der Gang zur Bühne scheitert fast an einer geschlossenen Tür. Der Film ist eine beißende Satire. Um möglichst unvoreingenommen entscheiden zu können, findet das Vorspiel vor der Auswahlkommission hinter einem Vorhang statt. Als der Vorhang fällt, muss Ingbert allerdings mit Diskriminierung kämpfen. Die Musik, die Sprache, die angeblich alle verstehen, darf am Ende eben doch nicht von jedem „gesprochen“ werden.

Welche politische Kraft hinter Musik stecken kann, vermittelt der Dokumentarfilm ANGRY FOLKS aus Myanmar. Zwei junge Musiker stehen mit Gitarre vor einer Schar Fabrikarbeiterinnen, die auf der Straße sitzen und streiken. Ganz in der Tradition der Singer-Songwriter spielen sie ihre Protestsongs über Ungerechtigkeit, Armut und Auflehnung. Neben ihrer Musik inszenieren sie mit Arbeiter*innen ein Theaterstück zum Tag der Arbeit. Die zwei jungen Aktivisten möchten die Menschen, die teils unter unzumutbaren Bedingungen arbeiten, dazu ermutigen, sich für ihre Rechte einzusetzen. Musik wird hier zu einem wunderbaren Werkzeug der Aufklärung und der Solidarisierung mit den Ausgebeuteten.

Wie identitätsstiftend Musik für unterprivilegierte Menschen sein kann, zeigt der Dokumentarfilm FEMININE HIP-HOP von Luis Peinado. Der Regisseur porträtiert die weibliche und vor allem queere Hip-Hop-Szene in Montréal. Drei Künstler*innen sprechen über ihre Leidenschaft für die Musik und was es in ihren Augen bedeutet, Hip-Hop zu machen. Denn das heißt leider auch immer, sich gegen Transphobie und Homophobie in einer männerdominierten Szene zur Wehr setzen zu müssen.

Musik kann aber auch einfach verdammt lässig eingesetzt werden, wie im Spielfilm RIO, in dem zwei junge Frauen in einem kleinen Hotel im Nirgendwo der russischen Provinz arbeiten. Gäste kommen keine und so träumen sie sich in ihrer Langeweile tagtäglich in eine andere, aufregendere Welt. Die Regisseurin Zhenia Kazankina verpackt den monotonen Alltag in eine wunderbar skurrile Komik und lässt die beiden armschwingend am Pool oder den weiten Hotelflur entlang tanzen. Dazu gibt es russischen Pop und hypnotisierenden Psychedelic-Rock aus Frankreich. Tanzend und mit der richtigen Musik ist eben alles gleich viel erträglicher.

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